"Hier, nimm", sagt der Schamane. Er ist der allerletzte Vertreter einer alten, fast vergessenen Religion. Und ich? Ich starre. Ungläubig. Erst auf sein Gesicht. Dann auf seine hohlen Hände, die er mir ungeduldig entgegenstreckt. Auf der furchendurchzogenen Haut liegen eklige, pampige Tabletten. In der rechten eine Grüne, in der Linken eine Gelbe. 'Mooment mal' denke ich, 'Klaut mein Unterbewusstsein schon bei Matrix. Ich fasses nich'. Aber ebensoschnell, wie ich diese Gedanken gefasst hatte, mir bewusst, dass ich Träume, vergesse ich sie wieder. Denn der Traum ist ein so spannender, dass ich unbedingt wissen muss, wie es weitergeht. Also. Flashback. Ich vorm Matrixschamanen.
"Ehm... welche?" frage ich. Im Moment des Ausspruches ärgerte ich mich, dass mein Tonfall sehr verängstigt und verschüchtert ist. "Wähle die richtige, und du kannst fliegen, fliegen, höher als der Mount Everest." entgenet mir eine knarzige Stimme. 'Auch höher als der Olympus Mons?' denke ich, entscheide mich aber gegen eine weniger klugscheisserische Frage und sage nur: "Ah. Okay. Und bei der anderen?" Ich ddenke, die Frage scheint gerechtfertigt. Aber mich trifft nur ein Leerer Blick des Schamanen, verleichbar mit einer leeren Coladose, die man einem Elefanten an den Kopf wirft, der sich aber nur wenig beirren lässt. Ich entschließe mich, den betagten Herren etwas eindringlicher auf mein Interesse hinzuweisen: "Die andere!?" schreie ich. Der Mann zuckt zusammen und beginnt wieder zu reden: "Wenn du die falsche wählst, dann hast du die Falsche gewählt. Einen Placebo sozusagen...". Nach kurzem, intensiven Überlegen sage ich "Warum muss ich überhaupt eine Wahl treffen?" Der Schamane grinst nur blöd. Er zeigt auf mein Marken-T-Shirt. 'Garkein so dummer Bursche' denke ich mir. Wir wollen alle anders sein. Und von den anderen abheben. Die einzige Chance, fliegen zu können, abgelehnt zu haben, würde mich ein Lebenlang verfolgen. 'Dämlicher Grinser, ja, wir sind so berechenbar...' "Gut, ich nehme die... Gelbe!" sage ich. Ein umsomehr blödgrinsender Schamane entgegnet: "Gute Wahl, mein Junge. Sehr gute Wahl." Ich entreiße ihm gierig die Pille. 'Doofer Thomas. Ungeduldig. Was machst du jetzt?' Ich entschließe, kompetentes Fachpersonal zu fragen: "Was jetzt?" geht meine Rückfrage an den Schamanen. "Hier hast du ein Glas Wasser, damit schluchst du die Tablette hinunter, danach musst du einfach nur warten, sage dir im Stillen mehrmals 'Ich kann fliegen.Ich kann fliegen.', und schon gehts los. Vertraue einfach. Vertraue dem Fremden." Und ich tue, was er sagt. Ja, ich befolge jede Instruktion. Wortwörtlich. Und siehe da: ich kann fliegen. ICH! KANN! FLIEGEN! Ich fliege über Wälder und Wiesen, über Felder und Seen. Da kommt mir in den Sinn, das Mount Everest Versprechen des alten Herrem einmal auszutesten. So fliege ich nach oben. Und als ich schon ganz weit oben bin und eigentlich schon fast ausser Hörweite des Schamanen, rufe ich ich diesem zu: "Danke! Herr Schamane! Tausend Dank!" Aber der Schamane antwortet nur: "Danke nicht mir, Danke dem Placebo. Du brauchst doch immer erstmal Hilfe von außen, um an dich selbst zu glauben, wenn du aber erstmal an dich selbst glaubst, kannst du alles erreichen, hörst du? Alles! Ach ja, im Übrigen haben beide Pillen die Gleiche Zusammensetzung, nur andere Farben." Die letzten Worte dringen zwar in mein Ohr, jedoch längst nichtmehr an mein Bewusstsein. An mich Glauben kannich nicht ohne Hilfsmittel. Und so falle ich. Stürze ab. Pralle auf. Und sterbe. Im Traum. Und wache auf. In der Realität. Einer Welt, so verschwommen wie im Traum, auch wenn hier die Träume nicht in Erfüllung gehen.
Montag, 5. April 2010
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